Heimsuchung zu Tisch - Teil 5: Besser Kochen mit Dennis

5/01/2019 10:24:00 PM

Dennis (41, Produktdesigner, Invivo Design, Berlin)

Jeder Handgriff sitzt: Dennis in der Büro- & Versuchsküche 


Woher wie uns kennen:

Wie würde man wohl jemand beschreiben, der 5 Tage die Woche Küchengeräte entwickelt, sich regelmäßig im November (Movember) einen gehörigen Schnauzer wachsen lässt um auf Männergesundheit aufmerksam zu machen, aber auch sonst Wert auf sein Äußeres legt?

Dennis ist ohne jeden Zweifel ein cooler Typ in den 40ern: ein bisschen Querdenker, ein bisschen Hipster, ein bisschen Sachsen-Anhalter aber dabei immer 100% sympathisch! (Was, ohne dieses Bundesland ernsthaft zu kennen, sicher nicht selbstverständlich ist) Im Übrigen ist meine Beschreibung nahezu deckungsgleich mit der Eigenwahrnehmung auf seiner Unternehmenswebsite: "We are like Berlin: versatile and always good for a suprise." Word!

Wir lernten uns vor ein paar Jahren in – oh Wunder – der Bar23 kennen und er wurde bald darauf zum Stammtisch-Stammgast.  Im November 2017 suchte ich ihn in seinem Büro heim. Unnötig zu erwähnen das – als er für uns kochte - seine Design-prämierten Küchengeräte zum Einsatz kamen.


Wie würdest du deinen Beruf einem Amish People erklären, der jede technologische Entwicklung seit 1720 nicht kennt?

Dennis: Mein Beruf kann herrlich untechnologisch sein. Auf der einen Seite sind die feinen Künste eine große Triebfeder meiner Arbeit. Zeichnen, Skizzieren und Entwerfen, die Details erkennen. Auf der anderen Seite ist es das Denken und Begreifen meiner Hände - oder auch mal die einer Gruppe oder der Gesellschaft, das große Ganze im Auge behalten. Meine Werkzeuge sind die eines Handwerkers. Ich baue Dinge. Dinge zum anfassen und benutzen. Der große Unterschied zur Kunst besteht in dem Auftrag meiner Arbeit. Ich habe ein Ziel, das hat die Kunst nicht. Ich bin Produktdesigner. Und wie würde dein Beruf im 18.Jahrhundert aussehen?
Ich sitze bei Kerzenschein vor handgeschöpftem Papier und sinniere womöglich darüber, ob man nicht einen Federkiel erfinden kann, welcher mehr Tinte fasst.
Dieses lästige in die Tinte tauchen lenkt ab. Ich zeichne Konstruktionen für Blasebälge für die Feuerstelle des Schmieds in meiner Stadt. Oder auch mal ein Gerät zur Vermessung der Welt. Ein schlauer Handwerker hätte zu der Zeit womöglich Kriegsgerät entworfen.


Welche Rolle spielt Musik in deinem Berufsalltag?

Dennis: Einen sehr großen. Wir haben eine glückliche Raumaufteilung, sodass meistens zwei Personen zusammen sitzen. Wir hören in unserem Refugium morgens meist eine Stunde radioeins oder Deutschlandradio Kultur. Dann ist mein Informationsspeicher voll. Ab dann läuft, meist den ganzen Tag, ausgesuchte Musik über Spotify. Da wir jedoch oft durch Telefonate oder Besprechungen unterbrochen werden, ist das Hören eines Albums oder einer Playlist fast unmöglich. Das mache ich dann, wenn ich abends länger im Büro sitze oder sehr früh komme. Dann kommen die Alben auf den Tisch, die besondere Aufmerksamkeit brauchen. Als die Festplatten noch bis oben hin voll mit mp3s waren, haben wir oft fullHD shuffle gespielt. Ein besonderes Vergnügen, was Spotify so noch nicht kann. Ein Random an Musik, welche man wirklich mag.


Ein Song, den du mit deinem Beruf/Arbeit verbindest?

Dennis: Eindeutig: "kleine geile Firmen" von Funny van Dannen. Ein Song, welchen wir oft gehört haben, als wir 2003 gründeten.




Ein Song, zu dem du immer tanzt?

Dennis: Auch eindeutig: "Common People" von Pulp.




Nenne drei - aus deiner Sicht - hoffnungslos überschätzte Bands/Musiker?

Dennis: Sehr schwierig, da ich wenig Musik kenne, die mich nicht interessiert, oder ich richtig schlecht finde. Ich kann da nur die Red Hot Chili Peppers, Jamiroquai und Lenny Kravitz nennen. Alle sehr erfolgreiche Musiker / Bands, die aber für mich nicht so richtig grooven wollen.


Deine musikalischen drei Top-Entdeckungen der letzten 12 Monate?

Dennis: Ein Jahr Retrospektive ist nicht leicht. Eine grandiose "Wiederentdeckung" ist auf jeden Fall Saul Williams. Der lief auch 2003 in Stuttgart auf (damals noch) motorFM und ist seitdem völlig von meinem Radar verschwunden. Ende letzten Jahres war ich auf einem Konzert in der Kantine am Berghain und es war eine Offenbarung. Endlich wieder politische Positionen und auch mal ein Pranger hier und da. Das vermisse ich sehr.

Dazu passen auch (leider nicht der letzten 12 Monate) Algiers - eine geile Band aus Atlanta mit Texten wie Äxte und einem Sound, der frisch und dramatisch ist. Das was politische Musik haben sollte. Eine unaufhaltsame und kompromisslose Welle.
Den dritten Preis gebe ich an Trettman und Wolf Alice.

Ein Konzert, wo du dich e n d l i c h wieder jung gefühlt hast?
Dennis:Hier muss ich mich wiederholen - Saul Williams in der Kantine.



Es war anfangs extrem leer, und dann zog dieser Entertainer für zwei Stunden alle um sich in den Bann. Videos, welche wie in den 90ern monoton dahinloopten und der Fokus auf diese Wortmaschine, das war eine fantastische Mischung. Als wir wieder aufwachten war der Raum rappelvoll und alle wischten sich die Träume von Kampf und Respekt aus den Augen. Ein Aufbruchsmoment.

Vielen Dank Dennis und bis Donnerstag!
Anmerkung der Redaktion: Die Redaktion teilt zu 100% die Liste der o.g. überschätzten Bands/Künstler
(Interview im Nov. 2017)

You Might Also Like

0 Kommentare

Bots are welcome. No Bots No Future

WeakSignalMusic@Spotify

Famous last words

"Es gibt nur cool und uncool und wie man sich fühlt" Tocotronic - 1995
"Look at the bottle, look at the glass, there is your future, there is your past"
Amyl And The Sniffers - 2018
"Don't you think we're terribly incompatible?" my wife Gwen said one tearful night. After ten years of happy marriage and six wonderful children, I knew these words signaled trouble
No Trend - 1982
"Jazz is not dead, it just smells funny."
Frank Zappa - 1974