The death of MP3s - Was MP3s über mich verraten
9/26/2016 12:40:00 AMIch erinnere mich noch sehr genau an mein aller erstes Mal, als ich die erste mp3 aus dem Netz heruntergeladen habe. Es muss um die Zeit 2000 gewesen sein, denn ich war noch Schüler, wohnte bei meinen Eltern und ging manchmal für wenige Minuten "online", mit 64k Modem, Dail-in Verfahren und natürlich Napster. Die erste MP3, die ich mir über Napster gezogen habe, war Tito & Tarantula mit After Dark, den Song hatte ich einige Abende vorher auf einer Party gehört und dazu mit einem Mädchen getanzt. Der Song war nach einigen Stunden heruntergeladen, weil der amerikanische "Peer" so freundlich (und fortschrittlich) war, seinen Computer über Nacht in Betrieb und online zu halten. Ich habe buchstäblich jeden einzelnen Prozentpunkt des Ladebalkens aufmerksam nachverfolgt, klar, hätte doch jede noch so kleine Fremdsurferei auf anderen Websiten die Ladegeschwindigkeit massiv beeinträchtigt. Und als es endlich geschafft war, trennte ich mich aus Kostengründen umgehend vom Netz und hörte mir mein neues Stück Musik sofort an. Und was soll ich sagen, es war nicht das After Dark, sondern irgendein unbedeutender anderer Song, der nicht einmal die Worte After oder Dark in den Lyrics hatte. Ein digitaler Skandal und herbe Enttäuschung gleichermaßen!
Dass ich mich an diesen Moment, mehr als 15 Jahre später, noch derart detailliert erinnern kann, ist erstaunlich, aber in meiner Generation eher die Regel als die Ausnahme. Und in dieser Wahrnehmung steckt mehr als reine Nostalgie - es ist Zeugnis davon, wie digitale, immaterielle Güter die gleichen emotionalen Effekte erzeugen kann wie materielle oder reelle.
Dass ich mich an diesen Moment, mehr als 15 Jahre später, noch derart detailliert erinnern kann, ist erstaunlich, aber in meiner Generation eher die Regel als die Ausnahme. Und in dieser Wahrnehmung steckt mehr als reine Nostalgie - es ist Zeugnis davon, wie digitale, immaterielle Güter die gleichen emotionalen Effekte erzeugen kann wie materielle oder reelle.
MP3 Files nach Jahr und lokalem Erstelldatum |
Über die Jahre sammelte ich Unmengen an MP3s, in den Anfangstagen durch Tauschen mit Freunden auf gebrannten CDs, aber ich ging auch in Bibliotheken um die mir dort ausgeliehenen Alben mühselig zu rippen (so lernte ich Pulp kennen), zu beschriften und einzuordnen. Später im Studium mit erstmals bandbreitem Internetzugang dann permanentes runterladen (wann geht der "Peer" endlich wieder online?) und auf irgendwelchen gebrannte CDs, die noch nicht voll waren, hat man dem Empfänger ungefragt den Rest der CD mit wahlweise Pornos oder Musik vollgemacht. Über diese vielen, teils äußerst aufwändigen Wege entstand meine MP3 Sammlung, dass digitale Abbild meiner Jugend und Studentenzeit und Ausdruck meiner musikalischen Sozialisation und Emanzipation. Ich verbinde emotional viel mit dem angehäuften Dateien, bewege mich noch heute blind durch die Ordnerstruktur, mir fallen Anekdoten ein, wann ich welche Datei von wem bekommen habe, oder mit wem ich sie geteilt habe. Meine Vorgängergeneration hat die gleiche Entwicklung und Emotion mit CDs gesammelt, die davor in Vinyl oder Kassetten, mit dem Unterschied, dass sie ihre Sammlungen auch heute anfassen können, gar vererben können, denn ihnen wohnt ein materieller Wert inne. MP3s hingegen sind digitale Kopien, es gibt sie auf Millionen Rechnern...und nun auch bei Streamingdiensten wie Spotify.
Meine Sammlung hat jetzt nur für mich einen Wert und selbst ich bin durch die vielen Annehmlichkeiten des Musikstreamings vom MP3 hören längst abgewichen, auf Spotify "migriert" und dort den Logiken und Algorithmen eines Konzerns ausgesetzt. Außer vorgegaugelter Individualität gibts dort nur eins: leichten Musikzugang.
Mit dieser Vorgeschichte habe ich mich analytisch mit meiner MP3 Sammlung beschäftigt. Und damit mit meinem "Ich der 2000". Hier die Erkenntnisse:
Logik, Größe und Verteilung der Ordner:
Größe und Ordner meiner MP3 Sammlung |
Details: MP3 Sammlung |
Im "Musik gern gehört" Ordner geht es dagegen richtig gesittet zu. Von FM4 Soundselections über Tocotronic's Diskographie bis hin zu den unzähligen "The" Bands dieser Zeit.
Doch die Ordnergrößen allein sagen noch nicht viel aus über meine musikalisch Selbstfindung der Jahre 2000-2010. Als Winamp zum Spotify der Nullerjahre aufstieg, hielten auch die MP3 Tags Einzug, mit denen sich auch Jahr der Veröffentlichung, Genre, Titel und Interpreten auswerten lassen. Jeder, der nur ansatzweise versucht hat, MP3 Tags zu pflegen, um eine gewisse Ordnung jenseits der Windows Ordnerpfade zu etablieren, wird wissen, dass es schlichtweg UNMÖGLICH ist, jeden Track zu taggen. Allein die Genrebezeichnungen haben mich an den Rand des Wahnsinns getrieben. Und als ich nun heute - Jahre später - diese tags auswerten will, kommen diese Erinnerungen wieder hoch: mitten in der tag-Hölle.
Und dennoch ist es ein Versuch wert. Nimmt man das Erscheinungsjahr, das Genre und die Interpreten meiner Musiksammlung und macht daraus nachfolgendes Diagramm, wird klar: Rock, Indie, Alternative ist meine musikalische Heimat. Es ist jedoch dem ständigen Genrewandel geschuldet, dass "Rock" von 15 Jahren noch nicht der ideenlose Jon-Bon-Jovi Scheiß war, für den man heute Rock halten würde.
Reingezoomt in die Rock Sparte offenbart, dass da alles drin ist, was Rang und Namen hat und vorwiegend aus der Zeit der 90er und 2000er ist. Jon Bon Jovi? Nicht bei mir.
Und dennoch, mein Musikgeschmack hat sich im Laufe der Zeit geändert, ist spezifischer und auch differenzierter geworden, aber stets gitarrenlastig geblieben. Rock & Indie Musik machen tatsächlich über 50% meiner MP3s aus. Techno, Trance & Dance ist nahezu nicht vorhanden, HipHop kommt erst auf Platz 16 der Top Genres. Folk und Post-Punk, Musik die ich heute häufig höre, sind nicht einmal unter den Top 200 Genres. Aber dass es überhaupt mehr als 200 Genres gibt, zeigt, wie scheiße MP3 tags sind...
Was bleibt nach der Statistik zu sagen:
1. Mein MP3-Ich ist sich durchaus noch mit meinem 2016-Ich im reinen, bin mir also musikalisch gesehen halbwegs treu geblieben.
2. Viele MP3s würde ich heute nicht mehr runterladen. Das Musikstreaming hat uns die glorreiche Errungenschaft gebracht, vor Kauf oder Download, sich die Musik anzuhören. Ich glaube, dieses Feature von Streaming hat das Filesharing letzlich getötet - for the good and the bad. Denn Analysen wie diese kann ich heute nicht über Spotify oder anderen einsehen. Diese durchaus interessanten Einblicke in das eigene Musikkonsumverhalten habe ich nicht mehr. Die Streamingdienste sitzen auf ihren (meinen) Daten und entwickeln Algorithmen und Marketinginitiativen damit, statt mir sie in der einfachsten Form zur Verfügung zu stellen. Das sollte sich ändern!
Ich habe einige Tools genutzt, um diese Daten aus den Tiefen des Windows Explorers zu holen. Wer mehr erfahren will, möge mir hier schreiben.
Und zum Nachhören findet ihr hier die "Heavy Rotation Winamp Playlist 2000-2010"
Rock on!
Dipl-Imp.
Musik gern gehört - Die Resterampe |
Und dennoch ist es ein Versuch wert. Nimmt man das Erscheinungsjahr, das Genre und die Interpreten meiner Musiksammlung und macht daraus nachfolgendes Diagramm, wird klar: Rock, Indie, Alternative ist meine musikalische Heimat. Es ist jedoch dem ständigen Genrewandel geschuldet, dass "Rock" von 15 Jahren noch nicht der ideenlose Jon-Bon-Jovi Scheiß war, für den man heute Rock halten würde.
Reingezoomt in die Rock Sparte offenbart, dass da alles drin ist, was Rang und Namen hat und vorwiegend aus der Zeit der 90er und 2000er ist. Jon Bon Jovi? Nicht bei mir.
Und dennoch, mein Musikgeschmack hat sich im Laufe der Zeit geändert, ist spezifischer und auch differenzierter geworden, aber stets gitarrenlastig geblieben. Rock & Indie Musik machen tatsächlich über 50% meiner MP3s aus. Techno, Trance & Dance ist nahezu nicht vorhanden, HipHop kommt erst auf Platz 16 der Top Genres. Folk und Post-Punk, Musik die ich heute häufig höre, sind nicht einmal unter den Top 200 Genres. Aber dass es überhaupt mehr als 200 Genres gibt, zeigt, wie scheiße MP3 tags sind...
Was bleibt nach der Statistik zu sagen:
1. Mein MP3-Ich ist sich durchaus noch mit meinem 2016-Ich im reinen, bin mir also musikalisch gesehen halbwegs treu geblieben.
2. Viele MP3s würde ich heute nicht mehr runterladen. Das Musikstreaming hat uns die glorreiche Errungenschaft gebracht, vor Kauf oder Download, sich die Musik anzuhören. Ich glaube, dieses Feature von Streaming hat das Filesharing letzlich getötet - for the good and the bad. Denn Analysen wie diese kann ich heute nicht über Spotify oder anderen einsehen. Diese durchaus interessanten Einblicke in das eigene Musikkonsumverhalten habe ich nicht mehr. Die Streamingdienste sitzen auf ihren (meinen) Daten und entwickeln Algorithmen und Marketinginitiativen damit, statt mir sie in der einfachsten Form zur Verfügung zu stellen. Das sollte sich ändern!
Ich habe einige Tools genutzt, um diese Daten aus den Tiefen des Windows Explorers zu holen. Wer mehr erfahren will, möge mir hier schreiben.
Und zum Nachhören findet ihr hier die "Heavy Rotation Winamp Playlist 2000-2010"
Rock on!
Dipl-Imp.
2 Kommentare
Test
AntwortenLöschenDie Erinnerung an das erste Herunterladen einer MP3 weckt nostalgische Gefühle, doch heute hat sich vieles geändert – besonders im akademischen Bereich. Wenn die Zeit knapp ist und du Unterstützung bei wissenschaftlichen Arbeiten benötigst, kann ghostwriting eine wertvolle Hilfe sein. So bleibt mehr Zeit, um sich mit Leidenschaft den wirklich wichtigen Dingen zu widmen!
AntwortenLöschenBots are welcome. No Bots No Future