Kurvendiskussion mit...Anajo
9/21/2016 11:16:00 PM
Das ausgerechnet der erste Blogeintrag sich um die musikalische VermächtnisKURVE der Augsburger Band ANAJO drehen würde, die nach einer fantastisch dilettantischen aufgenommenen und deshalb großartig naiven EP 1999 (Pop und die Welt) und einer unplanbar erfolgreichen wie tanzbaren ersten LP (Nah bei dir) eigentlich nichts mehr Nennenswertes in den Feuilletons und Musikforen platzieren konnte, ist schon sehr mutig. Doch Mut und Datenbezug zeichnet ja diesen Blog aus.
Anajo war eine Band, die ich nicht zuletzt durch FM4 Radio kennen und lieben gelernt habe. "Monika Tanzband" vom 2004er Album "Nah bei mir" brachte nach der zweiten Tocotronic Depression die unabhängigen Tanzsaäle der Republik wieder zum Konsenz des Mitsingens. Es war die poppige Antwort auf die immer ideenlosere Hamburger Schule und es war der Beweis, dass die Epizentren des Pop & Rocks nicht mehr (nur) in Hamburg und Berlin verortet sind, sondern auch aus einer bayrischen Mittelstadt mit dem Umweg über Österreich (FM4 ab April 2005) die Herzen Indie-Deutschlands erobern konnten. Eine bis dato seltene Entwicklung, was später andere Bands wie Kreisky, Ja, Panik oder Bilderbuch ebenfalls gelang.
Die Kurve von Anajo jedenfalls spricht Bände und steht für so viele deutsche Bands, die es irgendwie nicht geschafft haben. Der Verlauf von 1999 bis 2005, zum Höhepunkt ihres "Hörensagen" Erfolgsalbums "Nah bei dir" ist statistisch gesehen am ehesten eine Exponentialfunktion. Was drauf folgt, ist nicht der Mainstream-Durchbruch und damit die Fortführung der e-Funktion, sondern das Ergebnis einer folgenreichen falschen Entscheidung. Das im Februar 2007 veröffentlichte Nachfolgealbum "Hallo, wer kennt hier eigentlich wen?" war von Kritikern wie Fans sehnlichst erwartet worden, und so könnte man es auch durchaus der Kurve ablesen, nur wurde der sprunghafte Anstieg des Suchinteresse nicht durch das neue Album erzeugt, sondern durch die Teilnahme am Bundesvision Song Contest der zeitgleich mit der Album VÖ ausgestrahlt wurde. Der Verkaufserfolg war - bestenfalls - schmeichelhaft, die Resonanz auf den Bundesvision Song Contest ebenfalls. Die Entscheidung von Tapete Records und der Band, größere Publikumsgruppen mit dem Song Contest erreichen zu wollen, statt auf ein angemessenes (bekanntermaßen schweres) zweites Album zu warten, ist grandios gescheitert. Die Massen haben sie zwar technisch erreicht, das Album war aber leider scheiße oder noch nicht so weit oder die Band nicht im Stande, einen weiteren Kracher zu liefern. Und so kam es, wie es kommen musste: Stammhörer und Fans waren verschreckt, neue Hörerschaften konnten nicht angesprochen werden, die dicke Kohle blieb aus und damit auch die Öffentlichkeit (ab 2008).
Musikalisch konnte Anajo auch später mit dem dritten Album (Drei) nicht mehr an die Frische und Naivität des ersten Albums anknüpfen. Nach einigen Ausflügen mit dem Goethe Institut 2006 und 2010 nach Russland, und einigen heimischen Konzerten hat sich die Formation 2015 still und heimlich verabschiedet. Und es ist noch nicht einmal jemandem aufgefallen. Schade! Es würde mich wirklich interessieren, was aus der Band geworden ist.
Dipl Imp
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